Champagne: Ein Drahtseilakt zwischen Ruhm und stetigem Wandel
Champagne: Ein Drahtseilakt zwischen Ruhm und stetigem Wandel
Autor: Max Kaindl – The Art of Riesling
Champagner – ein Wort, das nach Luxus klingt und nach Feier, ein Versprechen auf perlende Magie und unvergessliche Momente. Doch hinter den schillernden Blasen steckt eine Region voller Gegensätze und Traditionen, die sich ständig neu erfinden muss. Auf meiner Reise ins Herz der Champagne im Frühjahr wurde mir klar, dass es hier um weit mehr geht als nur Glanz und Gloria.
Vom Land der Mönche zur Weltbühne
Die Weinberge der Champagne gab es bereits zu Römerzeiten, doch es waren die Mönche der Renaissance, die dieses Handwerk zur Kunst erhoben. Allen voran Dom Pérignon – fast könnte man meinen, er hätte die Sterne in die Flasche gebracht. Zugegeben, viele Legenden um ihn sind romantisiert, aber genau das ist Teil der Magie. Champagner ist eben mehr als ein Getränk. Er ist ein Mythos, eine Idee, die Realität und Fantasie vereint.
Eine weitere wichtige Wegbereiterin der Champagner Erfolgsstory war Madame Clicquot. Eine Frau, die sich nicht nur in einer Männerdomäne behauptete, sondern auch das berühmte „Rüttelpult“ erfand, um den Champagner klar und rein zu halten. Dieser Mut, Neues zu wagen, steht für mich symbolisch für den Erfolg der Region: ein Mix aus Tradition und Innovation, in dem Altes gewahrt wird, um Neues zu schaffen.
Die Zukunft im Blick: Klimawandel und Geschmackswandel
Aber heute steht die Champagne vor neuen, vielleicht sogar größeren Herausforderungen. Der Klimawandel macht sich hier deutlich bemerkbar, mit steigenden Temperaturen, die die Trauben schneller reifen lassen. Das bedeutet höhere Zuckerwerte, weniger Säure und eine veränderte Aromatik – die Grundpfeiler des Champagners, wie wir ihn kennen, geraten ins Wanken. Auf meiner Reise sprachen Winzer davon, wie der Druck steigt, früher zu ernten, um die Balance zu halten. Die Frage, die über allem schwebt: Bleibt die Frische, oder droht die Champagne, ihre Seele zu verlieren?
Die Antworten darauf sind so vielfältig wie die Winzer selbst. Während einige an klassischen Methoden festhalten, wagen andere den Sprung und setzen auf innovative Ansätze. Manche gehen sogar bewusst den Weg, neue Geschmacksprofile in heißen und trockenen Jahren wie 2019 zu erforschen. Alle eint: Sie zeigen damit, dass es auch in Zeiten des Wandels möglich ist, Champagner zu kreieren, der erfrischend, präzise und charaktervoll bleibt – ohne sich verbiegen zu müssen.
Der Spagat zwischen Tradition und Zeitgeist
Wie lange kann die Champagne noch an ihren alten Traditionen festhalten? Einige Winzer tauchen tief in die Schatzkiste der Vergangenheit ein, verzichten bewusst auf moderne Techniken, um das unverfälschte Wesen der Region zu bewahren. Doch gleichzeitig spüre ich vielerorts den Wunsch nach Veränderung, nach einem frischen Twist, der die Champagne in eine neue Ära trägt. Für mich zeigt das: Die Champagne ist ein lebendiges Kulturgut, das nur überleben kann, wenn es sich wandelt, ohne seine Wurzeln zu verlieren.
Der Blick zurück verrät: Champagner war immer schon im Wandel. Bis in die 1980er-Jahre wurde er oft deutlich süßer dosiert, ehe der Trend zu Extra Brut und Brut Nature vor allem durch kleinere Winzer in den 1990ern und frühen 2000ern Fahrt aufnahm. Wäre die Champagne bei den früheren, süßeren Geschmacksprofilen geblieben, stünde ihre Vormachtstellung in der Schaumweinwelt heute wohl in Frage. Heute setzen selbst die großen Häuser auf weniger Zucker in ihren Brut-Dosagen – mehr Präzision, mehr Authentizität.
Es ist eben genau diese Authentizität, die Menschen suchen: Champagner, der Geschichten erzählt, der nicht nur den Anlass, sondern auch den Moment feiert und unverwechselbaren Charakter zeigt.
Und um genau diesen Charakter greifbar zu machen, hat mir Nico vier ausgewählte Champagner von zwei Winzern aus dem Concept Riesling Portfolio geschickt. Denn die wahre Geschichte der Champagne lässt sich am besten im Glas ierkunden. Die Weine von Crété Chamberlin und Rémy Massin et Fils – zwei Winzer, vier individuelle Champagner-Interpretationen – bringen die faszinierende Vielseitigkeit dieser Region auf den Punkt.
Meine Verkostungsnotizen
CRÉTÉ CHAMBERLIN CDB PREMIER CRU Blanc de Blancs Brut Nature
In der Nase dominieren intensive Zitrusaromen, frisch und klar, mit einem Hauch weißer Blüten. Am Gaumen entfaltet sich eine straffe, mineralische Struktur, die mit salziger Präzision beeindruckt – pur und kompromisslos. Das Finish ist lang und vibrierend, mit einem salzig-kreideartigen Druck, der eindrucksvoll nachhallt. Der perfekte Apéro!
CRÉTÉ CHAMBERLIN 1683 EXTRA-BRUT
Ein Duft von hellen Zitrusfrüchten, dezentem Brioche und zarten Blüten steigt aus dem Glas. Am Gaumen vereint der Champagner lebendige Säure, feine Perlage und eine klare Struktur, die Frische und Kraft harmonisch verbindet. Das Finish ist langanhaltend und endet mit einer sanften nussigen Note. Everybody’s Darling.
CHAMPAGNE BLANC DE NOIRS TRADITION von Rémy Massin et Fils
Reife rote Früchte, eine Spur Gewürze und leichte Toastnoten entfalten sich in der Nase. Am Gaumen zeigt sich der Champagner vollmundig und samtig, mit einer ausgewogenen und intensiven Präsenz. Das lange Finish ist fruchtbetont, begleitet von einer subtilen Würze, die angenehm nachklingt. Ein echter Allrounder.
CHAMPAGNE ROSÉ von Rémy Massin et Fils
Fruchtige Noten von Erdbeeren und Himbeeren sowie ein Hauch floraler Akzente prägen die Nase. Am Gaumen lebendig und fruchtig, getragen von einer stützenden Mineralität. Der Abgang bleibt frisch und anhaltend, wobei die Frucht präsent bleibt, aber niemals überladen wirkt. Ein Rosé Champagner mit Charakter.
Hohe Preise – gerechtfertigt oder bloß Prestige?
Und dann gibt es die Frage, die jeden irgendwann beschäftigt: Warum ist Champagner so teuer – und ist das überhaupt noch gerechtfertigt? Die Champagne hat es über Jahrzehnte geschafft, ihr hohes Preisniveau zu halten, teils durch strikte Qualitätskontrollen, teils durch das perfekte Marketing, das diesen Schaumwein zum Synonym für Luxus machte. Doch dahinter steckt mehr als nur eine clevere Inszenierung.
Die Produktionskosten in der Champagne sind beachtlich: die langen Lagerzeiten, die speziellen Flaschengärmethoden, die sorgfältige (und in der Region ausschließlich erlaubte) Handlese – all das erhöht den Aufwand und sorgt langfristig für Qualität. Zusätzlich ist der Boden knapp, und jede Parzelle ist heiß begehrt. Die Winzer wissen, dass sie ein rares Gut kultivieren, und sie behandeln es entsprechend.
Ob die Preise noch gerechtfertigt sind? Meiner Meinung nach, ja – zumindest für Champagner, der wirklich den Unterschied macht, der die Handschrift seines Winzers trägt und das einzigartige Terroir der Region in sich vereint. Ein guter Champagner ist ein Kunstwerk, das Jahre des Wissens und der Hingabe verkörpert. Die Champagne hat ihre Magie bewahrt und sich so den Luxus verdient, ihre Produkte auch entsprechend zu bepreisen.