Nachhaltiger Weinbau – Back to the Roots oder Greenwashing?
Nachhaltiger Weinbau – Back to the Roots oder Greenwashing?
von Max Kaindl
Der Begriff „nachhaltig“ ist heutzutage in aller Munde, besonders, wenn es um Lebensmittel und Wein geht. Nachhaltiger Weinbau verspricht den Schutz der Umwelt, faire Arbeitsbedingungen und höchste Qualität im Einklang mit der Natur. Doch ist das wirklich die Rückkehr zu den traditionellen Wurzeln des Weinbaus, oder steckt manchmal mehr Marketing als Wahrheit dahinter? Ich habe mich in den letzten Monaten viel mit diesem polarisierenden Thema beschäftigt, habe tief gegraben. Meine Antwort? Es ist eine Frage des Bewusstseins.
Zurück zu den Wurzeln – Der Reiz des Ursprünglichen
Der Gedanke, die Reben so zu kultivieren, wie es unsere Vorfahren taten, hat etwas Romantisches. In einer Welt, die von Technologie und schnellem Wandel geprägt ist, sehnen sich viele nach Einfachheit und Natürlichkeit. Traditionell arbeitende Winzer, die auf synthetische Pestizide und Herbizide verzichten, den Boden mit Gründüngung bereichern und im romantischen Sinne statt Maschinen lieber Pferde einsetzen, vermitteln das Bild eines harmonischen Kreislaufs. Diese Methoden sind nicht nur umweltfreundlich, sie fördern auch die Biodiversität im Weinberg, was wiederum die Gesundheit der Reben und die Qualität des Weins positiv beeinflusst.
Man denke an Betriebe wie Ökonomierat Rebholz, wo auf natürliche Ressourcen gesetzt wird, um die Böden langfristig fruchtbar zu halten und das Weingut über Generationen hinweg zukunftssicher zu machen. Auch ich war beeindruckt von der Leidenschaft, mit der Hans und Valentin ihre Weinberge als lebendigen Organismus begreifen. Die Umstellung auf Nachhaltigkeit bedeutet für viele Winzer nicht nur eine Änderung der Arbeitsweise, sondern eine bewusste Rückbesinnung auf das, was den Weinbau ursprünglich ausgemacht hat.
Aber ist das für jeden Winzer möglich? Viele der traditionellen Methoden sind extrem arbeitsintensiv und erfordern ein hohes Maß an Fachwissen, das über die Generationen hinweg oft verloren gegangen ist. Besonders kleinere Betriebe müssen also viel investieren – Zeit, Geld und Geduld –, um langfristig wirklich nachhaltig zu wirtschaften. Nicht jeder kann und will sich das leisten.
Greenwashing – Das Geschäft mit der grünen Illusion
Während manche Winzer auf „echte“ Nachhaltigkeit setzen, scheint es leider auch immer häufiger Fälle zu geben, bei denen Nachhaltigkeit mehr Marketingstrategie als Überzeugung ist. Der Druck, nachhaltig zu erscheinen, ist in den letzten Jahren enorm gestiegen. Schließlich trifft das Bio-Siegel, das „grüne Image“ den Nerv der Zeit. Viele Konsumenten verlangen von den Produkten, die sie kaufen, dass sie umweltschonend und ethisch korrekt produziert wurden. Doch nicht jeder Betrieb, der sich „nachhaltig“ nennt, hält sich auch wirklich an diese Prinzipien.
Oft sieht es so aus: Der Betrieb lässt sich eine hübsche Zertifizierung aushändigen, erfüllt dabei aber nur die Mindeststandards. Der Einsatz von Pestiziden wird zwar reduziert, aber nicht eliminiert. Monokulturen bleiben bestehen, was der Biodiversität schadet. Zudem wird der Begriff „nachhaltig“ häufig so weit gedehnt, dass er fast schon jede Form von „besser als früher“ umfasst – selbst wenn diese Verbesserung nur marginal ist.
Ein prägnantes Beispiel für die Herausforderungen im nachhaltigen Weinbau ist der Hype um „grüne“ Verpackungen. Die Verwendung von recyceltem Glas oder leichten Flaschen wird gerne als umweltfreundliche Innovation gefeiert. Doch wenn ein Weingut gleichzeitig immense Mengen Energie verschlingt oder seine Weine per Flugzeug in die entlegensten Ecken der Welt transportiert, stellt sich unweigerlich die Frage, wie tief die Nachhaltigkeit tatsächlich verankert ist. Solange die Branche nicht auf ein umfassendes Mehrwegpfand-System umstellt, bleibt selbst die leichteste Glasflasche nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn auch eine Leichtglasflasche wird unter hohem Energieaufwand produziert, nur um nach einmaligem Gebrauch entsorgt zu werden – wirklich nachhaltig ist das nicht.
Viel sinnvoller wäre es, alternative Verpackungsformen wie „Bag-in-Box“ verstärkt in den Fokus zu rücken, insbesondere für Weine, die zügig konsumiert werden, oder „by the glass“-Angebote in der Gastronomie. Genau hier liegt enormes Potenzial, um die Ökobilanz des Weins maßgeblich zu verbessern. Dennoch sollten wir die Weingüter nicht allein in die Verantwortung nehmen. Eine derart radikale Veränderung braucht auch uns als Konsumenten. Denn solange die Akzeptanz für solche neuen Verpackungslösungen in der Gesellschaft fehlt, wird es wohl kaum zu einem freiwilligen Umdenken in der Branche kommen. Hier sind also alle gefragt, die sich einen nachhaltigeren Weinkonsum wünschen.
Ökologischer, Biodynamischer und Integrierter Weinbau – Ein Überblick
Lasst uns einmal die verschiedenen Ansätze genauer ansehen, um zu verstehen, auf welchen Wegen Nachhaltigkeit im Weinbau funktionieren kann.
Der ökologische Weinbau verzichtet komplett auf synthetische Pflanzenschutzmittel und konzentriert sich auf natürliche Dünger und Fruchtfolgen, um den Boden zu schützen.
Der biodynamische Weinbau geht noch einen Schritt weiter und berücksichtigt kosmische Rhythmen sowie die Anwendung von speziellen Präparaten, um die Lebenskraft der Reben zu stärken. Diese Methode, entwickelt von Rudolf Steiner, wird oft als spirituell abgetan, doch sie hat sich in der Praxis vielfach bewährt – man denke nur an die Weine von Christmann, Bürklin-Wolf, Peter-Jakob-Kühn oder Wittmann, die auf diese Weise produziert werden und für ihre herausragende Qualität bekannt sind.
Der integrierte Weinbau dagegen ist eine Art Hybrid, der die besten Methoden des konventionellen und ökologischen Weinbaus vereint. Hier liegt der Fokus auf einer ausgewogenen Nutzung von Natur und Technik. Der Einsatz von Chemikalien wird zwar nicht vollständig vermieden, aber stark eingeschränkt, und die Förderung von Nützlingen steht im Vordergrund.
Was bedeutet das für den Konsumenten?
Am Ende bleibt die Frage: Wie kann der Verbraucher erkennen, ob ein Wein wirklich nachhaltig produziert wurde, oder ob er lediglich das Opfer von Greenwashing geworden ist? Eine gute Orientierung bieten unabhängige Zertifikate wie das Demeter-Siegel für biodynamische Weine oder die EU-Bio-Kennzeichnung. Doch selbst hier ist Vorsicht geboten. Nicht alle Zertifikate garantieren höchste Standards, und auch bei Bio-Weinen gibt es große Unterschiede in der Qualität der nachhaltigen Arbeit.
Für mich persönlich ist das beste Indiz immer noch das direkte Gespräch mit dem Winzer. Wenn man den Menschen hinter dem Wein kennt und seine Philosophie versteht, kann man viel besser einschätzen, ob Nachhaltigkeit gelebt wird oder ob es sich um bloße Lippenbekenntnisse handelt. Vor Ort wird mir meistens schnell klar, wer mit Herz und Verstand arbeitet und für wen Nachhaltigkeit mehr als ein Etikett ist. Ich weiß, nicht jeder hat die Möglichkeit oder die Zeit und Muße, Winzer vor Ort zu besuchen. Dann vertraut auf den Fachhändler eurer Wahl.
Fazit – Eine Frage des Bewusstseins
Nachhaltigkeit im Weinbau ist mehr als nur ein Trend – sie ist eine Notwendigkeit, wenn wir auch in Zukunft noch qualitativ hochwertige Weine trinken wollen. Doch es ist nicht alles grün, was glänzt. Während manche Betriebe mit viel Engagement und Überzeugung zurück zu den Wurzeln gehen, nutzen andere das Nachhaltigkeits-Label als reines Marketing-Tool.
Dabei erhebe ich keineswegs den Anspruch, das Thema vollständig abzubilden oder den „Öko-Papst“ zu spielen. Vielmehr möchte ich daran erinnern, dass Nachhaltigkeit nicht gleich Nachhaltigkeit ist. Als Konsumenten sollten wir uns nicht von hübschen Siegeln und wohlklingendem Marketing blenden lassen. Es geht darum, wachsam zu bleiben, die Dinge kritisch zu hinterfragen und sich bewusst zu machen, dass echte Nachhaltigkeit weit über den bloßen Verzicht auf Chemikalien hinausgeht.
Wer sich die Zeit nimmt, hinter die Etiketten zu blicken und direkt mit Winzern oder dem Fachhändler seines Vertrauens ins Gespräch kommt, kann sicher sein, dass der Wein im Glas nicht nur hervorragend schmeckt, sondern auch im Einklang mit der Natur und den Menschen entsteht.