Riesling Meets Terroir
Riesling Meets Terroir von Max Kaindl
Wo endet der Einfluss des Bodens und wo beginnt die Handschrift des Winzers? Eine ewige Frage unter Weinliebhabern. Anfang August habe ich versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Unter dem Motto „Riesling meets Terroir“ hatte ich ins Grapes nach München eingeladen. Zu verkosten gab es 14 Weine, aufgeteilt in sieben Flights. Dabei präsentierte jeder Flight zwei gereifte trockene Rieslinge (überwiegend VDP.GG) eines bestimmten Bodentyps.
Gipskeuper
Los ging es mit Rieslingen vom Gipskeuper. Sandstein, Gipsablagerungen, toniger Schluff und bunter Mergel prägen den Gipskeuper. Ein schwerer Boden, der sich bei Regen aufquillt und Wasser speichert, während er in Trockenzeiten rissig wird. Die beiden angestellten Weine, Aldingers 2016er Gips Marienglas Riesling GG und Wirschings 2016er Julius-Echter-Berg Riesling GG zeigten sich höchst unterschiedlich. Die mineralische Struktur des Gipskeuper war bei letzterem deutlicher spürbar, doch schien es, als würde die Handschrift der Winzer den eigentlichen Charakter des Bodens überdecken. Der Gipskeuper-Einfluss in beiden Weinen zeigte eher subtil. War es das Terroir oder die Handschrift des Winzers, die beide Weine prägte? Eine Frage, die offen blieb.
Devonschiefer
Als wir zum Devonschiefer kamen, wurde es spannend. Dieser Boden ist geprägt von gepresstem, horizontal übereinander abgelagerten Sedimentgestein, das in der Tiefsee unter hohem Druck entstanden ist. Funfact: Deshalb kann man Schiefer übrigens leicht in Platten brechen. Durch seine dunkle Farbprägung speichert Schiefer Wärme exzellent und verleiht den Weinen oft eine merkliche mineralische Tiefe. Der 2018er Scharzhofberger Riesling GG von Van Volxem und der 2017er Niederberg Helden Riesling GG von Schloss Lieser (beide aus der Magnumflasche) zeigten eindrucksvoll, wie tief und komplex Schieferweine werden können.
Hier waren sich alle schnell einig: Der Schiefer drückte diesen Weinen seinen Stempel auf – eine mineralische Intensität, die nicht zu übersehen war.
Phyllit-Schiefer
Beim Flight mit Phyllit-Schiefer wurde es subtiler. Dieser Boden, reich an Glimmer und Quarz, soll den Weinen eine elegante Struktur mit einem Hauch von Rauch verleihen. Das Gestein entsteht durch Metamorphose aus Tonschiefern und wird schließlich zu Glimmerschiefer umgewandelt. Es ist ein kristalliner Schiefer von grünlich-grauer Farbe und Seidenglanz Der 2019er Abtei „1937“ Riesling von Kruger-Rumpf und der 2016er Gräfenberg Riesling GG von Robert Weil zeigten beide in Andeutung rauchige Würze und eine sanfte Eleganz.
Bei beiden Weinen war der Cahrakter des Phyllit-Schiefers spürbar, jedoch weniger ausgeprägt als beim Schiefer-Flight.
Quarzit
Ein extrem hartes und verdichtetes Gestein bestehend aus Sandstein, führte bei uns zu Kontroversen. Es bildet oft Kristalle großer Formen- und Farbenvielfalt, deren Flächen Glasglanz aufweisen. Durch den relativ hohen pH-Wert wachsen darauf tendenziell säurearme Weine. Dies traf jedoch nicht auf die beiden angestellten Weine zu.
Der 2017er Burgberg Riesling GG von Schlossgut Diel und der 2017er Scharlachberg Riesling GG von Wagner-Stempel zeigten beide eine feine Eleganz, doch der Einfluss des Bodens war, zumindest für uns, subtil.
Bei diesem Flight war die Diskussion in der Gruppe besonders lebhaft. Der Quarzit als prägendes Element blieb schwer greifbar. Trotz hoher Qualität beider Weine fehlte hier für viele der spezifische, bodenbedingte „Fingerabdruck“. Der Einfluss des Winzers schien auch hier dominanter als das Terroir.
Kalkstein vs. Muschelkalk
Ein Highlight des Nachmittags war zweifellos der Flight mit Rieslingen vom Kalkstein und Muschelkalk. Der 2016er Morstein Riesling von Dreissigacker und der 2016er Stettener Stein Riesling GG vom Weingut am Stein zeigten eindrucksvoll, wie stark diese Böden den Charakter eines Rieslings prägen können.
Kalkböden sind unter Winzern besonders geschätzt, da sie Weinen eine gute Säure und Struktur verleihen. Sie speichern Wärme gut und sind ideal für lebendige, rassige Weine aus kühlen Klimaten.
Bei diesem Flight war sich die Gruppe schnell einig: Beide Weine strahlten förmlich aus dem Boden heraus. Kalk/Muschelkalk war hier in seiner reinsten Form zu schmecken.
Rotliegend
"Rotliegendes" ist ein alter Bergmannsausdruck. Er verdankt seine auffällig rote Färbung dem Hämatit. Der Boden entstand aus kalkreichen Ton-, Schluff- und Sandsteinen. Rotliegendes hat nur ein begrenztes Wasserspeicherungs-Vermögen, besitzt dafür aber eine gute Durchlüftung des Bodens. Die Durchwurzelung des tieferen Gesteins ist dagegen schwierig.
Der 2016er Pettenthal Riesling GG von Kühling-Gillot und der 2016er Kastanienbusch Riesling GG von Ökonomierat Rebholz zeigten beide eine dichte, fast erdige Tiefe sowie deutliche Anklänge von roten Früchten (Johannisbeere). Hier konnte sich die Gruppe nicht abschließend einigen. Einige Gäste sprachen von „bodenständiger Eleganz“, andere von einer „ursprünglichen Kraft“, wiederum andere konnten keine eindeutigen Merkmale zwischen beiden Weinen festmachen.
Vulkanisches Terroir: Melaphyr und Basalt als Feuerwerk
Zum Abschluss der regulären Flights widmeten wir uns dem vulkanischen Terroir - Melaphyr und Basalt. Hierfür standen der 2018er Bastei Riesling GG von Gut Hermannsberg und der 2014er Pechstein Riesling GG von Bassermann-Jordan im Glas.
Melaphyr ist ein feinkörniges Gestein mit einer Farbpalette von Schwarz bis Rötlich-braun. Die Blasen-Hohlräume sind wie kleine Schatztruhen, gefüllt mit Mineralien wie Kalkspat und Quarz. Dadurch bekommen die Weine oftmals eine spannende Würze. Basalt entsteht aus geschmolzenem Magma und steckt voller wichtiger Mineralien für die Rebe. Mit seiner harten Struktur und dem hohen Kalkgehalt sorgt es für Weine mit knackiger Säure und lebendiger Frische.
Beide Rieslinge zeigten, mit welcher Deutlichkeit vulkanische Böden Weinen eine außergewöhnliche Tiefe, Rauchigkeit und Intensität verleihen können. Hier war das Terroir eindeutig greifbar – eine dunkle, tiefe Energie, die beide Weine einzigartig machte.
Zum Abschluss des Nachmittags gab es zwei außergewöhnliche Rieslinge, die nicht direkt in die Reihe der „Terroir“ Rieslinge passten. Mehr dazu könnt ihr unter Zum Abschluss des Nachmittags gab es zwei außergewöhnliche Rieslinge, die nicht direkt in die Reihe der „Terroir“ Rieslinge passten. Mehr dazu könnt ihr unter https://theartofriesling.com/de/portfolio/riesling-meets-terroir-ein-wundervoller-nachmittag-im-grapes/ lesen.
Die Erkenntnisse: Riesling meets Terroir oder doch Winzermagie?
Was bleibt nach einem solchen Nachmittag? Nun, die Erkenntnis, dass der Boden nicht immer gleich stark im Wein spürbar ist. Während manche Böden wie Schiefer und Kalkstein klar ihre Handschrift hinterließen, blieben andere wie Gipskeuper und Quarzit eher subtil. Das Terroir ist wichtig, keine Frage, sollte aber nicht isoliert betrachtet werden. Der Dialog zwischen Boden und Winzer macht letztendlich den Unterschied zwischen gutem und großem Wein. Die beste Kombination scheint mir folglich die zu sein, bei der talentierter Winzer und herausragendes Terroir sich gegenseitig ergänzen.
Es war ein intensiver Nachmittag mit spannenden Gesprächen in lockerer Atmosphäre. Wein muss eben nicht snobby sein - auch wenn das Thema durchaus freeky war. Genau dies zu vermitteln war mein Ziel.