Roter Hang: Eine Reise durch das Riesling Paradies am Rhein (von Max Kaindl)

Roter Hang: Eine Reise durch das Riesling Paradies am Rhein (von Max Kaindl)

Wenn es um deutsche Weine geht, steht der Riesling ganz oben auf der Liste. Und wenn es um erstklassigen Riesling geht, führt kein Weg am Roten Hang vorbei. Dieses malerische Stück Land entlang des Rheins, zwischen Nackenheim und Nierstein gelegen, ist nicht nur ein geologisches Wunder, sondern auch die Wiege einiger der besten Weine Deutschlands. Aber was macht diesen Ort und vielmehr seine Weine so einzigartig?
Hierfür lohnt sich ein Blick in seine Bodenbeschaffenheit. Der Hang erhält seine rote Farbe durch den hohen Anteil von rotem, mineralstoffreichem Tonschiefer, einem 250 Millionen Jahre alten Urgestein aus der Perm-Zeit. Im mittleren Tertiär wurde diese Erdschicht freigelegt, als der obere Rheingraben einstürzte und das Mainzer Becken entstand. Als schmaler Streifen zieht sich der Tonschieferboden fünf Kilometer entlang des linken Rheinufers zwischen Nackenheim im Norden und dem südlichen Ortsrand von Nierstein. Im Gegensatz zum härteren blaugrauen Devonschiefer an Mittelrhein und Mosel hat dieses weiche, schnell verwitternde Urgestein eine völlig andere Struktur. Seine vielfältigen Mineralstoffe werden an die Rebstöcke abgegeben, was den Weinen ihren einzigartigen Stil und ihre rot-würzige Rasse verleiht. Der Boden ist zudem durchsetzt mit Rotschieferplatten, auf denen Spuren frühen Lebens zu finden sind. Diese sogenannten Fährtenplatten, die im Paläontologischen Museum Nierstein zu bewundern sind, enthalten die ältesten Insektenspuren Europas.
Doch es ist nicht nur der Boden, der den Riesling am Roten Hang so einzigartig macht. Das exzellente Kleinklima, geprägt von der Neigung der Hänge nach Süden und Südosten, sowie der Schutz vor den rauen Winden des Rheins, schaffen optimale Bedingungen für den Anbau von Reben. Die Rebblüte beginnt hier früh, und eine lange Reifezeit ist de facto garantiert. Die Weine zeichnen sich durch ihre Finesse und ihren unverkennbaren rot-würzigen Charakter aus. Im Gegensatz zu früher werden sie heutzutage meist trocken ausgebaut. Manchmal schmecken die Rieslinge sogar etwas rotfruchtig, wie das 2022er Riesling GG aus dem Rothenberg von Gunderloch, das mich stark an rote Johannisbeere und roten Pfeffer erinnert.
Riesling ist am Roten Hang der unangefochtene Platzhirsch. Zwar gibt es auch einen nennenswerten Anteil an Blaufränkisch in den GG Lagen, dennoch genießt der Riesling hier heute eine Monopolstellung. Früher standen die Reben im Mischsatz mit bis zu einem Drittel Silvaner.
Trotz ihrer Glanzzeiten haben die Weinbaugemeinden Nierstein und Nackenheim im Laufe des 20. Jahrhunderts an Renommée eingebüßt. Die Gründe hierfür sind vielfältig und wollen wir in diesem Artikel nicht näher beleuchten. Dank Initiativen wie dem "Verein Wein vom Roten Hang" werden die Lagen wieder ins Rampenlicht gerückt. Es ist dem unermüdlichen Einsatz von renommierten Weingütern wie Heyl zu Herrnsheim und aktuell vor allem Winzern wie H.O. und Carolin Spanier (Kühling-Gillot), Kai Schätzel sowie Johannes Hasselbach (Gunderloch) zu verdanken, dass der Riesling zwischen Nierstein und Nackenheim wieder zu neuem Leben erweckt wird.
Der Rote Hang ist aber nicht nur ein Ort für Weinliebhaber, sondern auch ein wichtiges Symbol für die Zukunft des deutschen Weinbaus. Warum? Aufgrund der traditionell geringen Niederschläge und der bis vor kurzem hier vorherrschenden konventionellen Bewirtschaftungsmethoden vieler Weingüter ist der Berg durch die fortschreitende Klimaerwärmung zunehmend von Dürre bedroht. Um diesem Trend entgegenzuwirken, setzen einige Winzer mittlerweile auf Bewässerungssysteme. Interessanterweise beobachte ich jedoch auch eine zunehmende Tendenz hin zum biologischen und sogar zum biodynamischen Weinbau. Durch das Einbringen von Stroh in die Weinberge wird beispielsweise versucht, die Feuchtigkeit im Boden zu halten. Zusätzlich wird durch das Einsäen einer Rebzeilenbegrünung der Nährstoffgehalt des Bodens angereichert. Und dies sind längst noch nicht alle Maßnahmen. Es gibt also eine Menge Aktivitäten am Roten Hang. 
Bei meinem letzten Besuch Anfang Mai fiel dieser Wandel besonders auf. Der Hang zeigte sich lebendig und grün. Auf die Spitze treibt das sicherlich Kai Schätzel. Beim Betrachten seiner Rebzeilen fühlt man sich wie im Dschungel. Die roten, vertrockneten Bodenwüsten, die einst durch Glyphosat zerstört wurden, sind nun zum Glück selten geworden. Am Roten Hang kann man deutlich sehen, wie die Winzer Maßnahmen gegen den Klimawandel ergreifen. Eine wichtige und zugleich ermutigende Entwicklung.
Die einzigartige Kombination aus Terroir, Geschichte und Weintradition macht den Roten Hang zu einer Region, die es zu entdecken und zu schätzen gilt. Wenn du tiefer in dieses Thema eintauchen möchtest, empfehle ich die Ortsweine von Gunderloch und Kühling-Gillot. Sie sind perfekte Spiegel dieser einzigartigen Region. Cheers!
Anmerkung: Wenn du mehr über die einzelnen Lagen des Roten Hangs erfahren möchtest, dann empfehle ich dir meinen Artikel auf meinem Blog www.theartofriesling.com/de/.