Autor: Max Kaindl – The Art of Riesling

Das VDP.GROSSES GEWÄCHS® (VDP.GG) steht heute wie kaum ein anderer Begriff für deutschen Spitzenwein. Doch der Weg dorthin war alles andere als geradlinig. Am 1. September 2002 läutete der VDP mit der Einführung dieses Qualitätsprädikats ein neues Zeitalter ein, damals noch unter dem Namen „Erstes Gewächs“. Seitdem ist das VDP.GGzum Symbol für trockene Weine aus den besten Lagen – ausschließlich aus VDP.GROSSE LAGE® klassifizierten Weinbergen – des Landes geworden. Doch der Anspruch, Herkunft in Perfektion zu vereinen, verlangt ständige Weiterentwicklung – und die Reise ist noch lange nicht zu Ende.

Von der CHARTA zur Klassifikation: Wie alles begann

Die CHARTA war dabei mehr als nur ein Marketinggag. Sie war ein Aufruf zur Rebellion gegen das Weingesetz von 1971, das durch die inflationäre Ausweisung von Einzellagen das Bewusstsein für Herkunft und Qualität verwässert hatte. 

Der VDP und die Klassifikation: Ein mutiger Schritt

Die Vision der CHARTA inspirierte auch den Verband Deutscher Prädikatsweingüter (VDP), der ab den 1990ern eine eigene Lagenklassifikation entwickelte. Es war ein Kraftakt, der nicht ohne Verluste blieb. Namen wie Bernhard Breuer verließen den Verband, weil ihnen die Fortschritte nicht schnell genug gingen. Doch 2002 war es dann so weit: Mit den Marienthaler Beschlüssen wurde das VDP.GG als krönender Abschluss einer zunächst dreistufigen, ab 2012 vierstufigen Klassifikationspyramide eingeführt. Es war ein System, das sich an Burgund orientierte, aber eine deutsche Handschrift trug – mit klarer Herkunftslogik, selektiver Handlese und der Konzentration auf die besten trockenen Weine.

Herausforderungen und Zukunft: Wichtige Fragen

Mit der Einführung des neuen deutschen Weinrechts (gültig ab dem Weinjahrgang 2026) steht das VDP.GG vor einer neuen, großen Herausforderung. Die Herkunftslogik des Gesetzes ist nicht deckungsgleich mit der des VDP. Ein Risiko, dass die klare Botschaft des VDP.GG im Wirrwarr der Begrifflichkeiten untergeht, ist real. Ein Beispiel: Wenn nun auch Nicht-VDP-Winzer die Herkunftsbezeichnung „Grosse Lage“ nutzen können, droht ein Qualitätsverlust durch Verwässerung.

Was braucht es also, um das GG auch in Zukunft relevant zu halten? Drei Dinge sind aus meiner Sicht zentral:

• Klarheit und Kommunikation: Die Pyramide muss verständlich bleiben. Der VDP sollte die ursprüngliche Einfachheit wieder stärker betonen. Zudem sollte der VDP mehr die Eigenmarke VDP.GROSSES GEWÄCHS® (VDP.GG) promoten und die Differenzierung zum „GG nach deutschem Weinrecht ab 2026“ stärker herausarbeiten.

• Klimawandel berücksichtigen: Nicht jede Lage, die einst als groß galt, wird dies in einer wärmeren Welt bleiben. Mut zur Aktualisierung ist gefragt.

• Internationalität: Das VDP.GG hat als eigenständige Marke großes Potenzial, auch weltweit als Symbol für deutsche Spitzenweine zu gelten – aber nur, wenn es stringent und klar vermarktet wird.

Ein persönlicher Wunsch zum Schluss

Mein persönlicher Wunsch: Noch mehr Mut zur Qualität. Aus meiner Sicht gibt es heute zu viele VDP.GGs auf dem Markt, die dem selbstgesetzten Qualitätsanspruch des VDP nicht standhalten. Eine strengere Selektion der GGs bei den internen Vorproben würde aus meiner Sicht das Profil und somit die Positionierung der Marke VDP.GROSSES GEWÄCHS® im In- und Ausland stärken. Ein Großes Gewächs sollte Eleganz und Präzision verkörpern – kein schwammiger oder verholzter Blender sein.

Das VDP.GG hat in den letzten 20 Jahren eine unvergleichliche Erfolgsgeschichte geschrieben, auf die der VDP zurecht stolz sein kann. Die nächsten Kapitel dieser Erfolgsgeschichte zu schreiben, wird die größte Herausforderung – und zugleich die größte Chance – für den VDP und sein VDP.GROSSES GEWÄCHS®.