Wir ernten den CR-Weinberg
25. September 2024
Mit etwas Zeitverzug aufgrund der Rolling Pin Convention, an der wir in der vorletzten Woche selbst als Aussteller teilgenommen haben, melden wir uns nun nach unserer ersten, anscheinend sehr erfolgreichen, Lese.
Vor nicht ganz drei Wochen, am 24.09.2024, fuhren wir wieder runter nach Franken, nachdem wir wochenlang unruhig mit den Hufen gescharrt hatten, da die Trauben einfach nicht reifen wollten. Dies lag hauptsächlich am frühen Sommerende und den bereits recht kühlen Temperaturen bei Nacht. Doch das ist eigentlich ideal, denn so können die Trauben langsam und gleichmäßig reifen und mehr Aroma bilden, da die Zuckerwerte nicht so schnell in die Höhe schießen. Man spricht von einer langen physiologischen Reife.
Aufgrund unserer doch sehr guten Vorarbeit in den vergangenen Monaten und der Tatsache, dass wir bei der Spätfrostperiode Mitte April mit einem blauen Auge davongekommen sind, standen wir jetzt vor knapp 900 Rebstöcken mit erstklassigem, lockerbeerigen Material und freuten uns, den Startschuss für die Lese zu geben. Da sich eine solche Anzahl nicht mal eben so von allein liest, hatten wir uns Verstärkung mitgebracht und neben den Schönwetterwinzern Paula, Nico & Henrik waren diesmal auch Rhi & Teresa aus unserem Team dabei.
Auf los ging’s los! Bei selbstverständlich bestem Wetter und milden Temperaturen starteten wir mittwochs morgens, am 25.09., mit der Lese und jagten nur so durch den Wingert. Spaß – wir gingen langsam und bedacht vor, selektierten wie die Profis und es landete nur perfektes Rebmaterial in den Eimern. Die Foto-Beweise findet ihr unten.
Wir wollen schließlich einen Wein von höchster Qualität erzeugen, nicht irgendeine Massenware. Menge spielt also keine primäre Rolle. Wir schafften die Hälfte am Vormittag und fuhren dann erstmal ins Weingut um zusammen mit dem gesamten Leseteam des Weinguts eine typisch fränkische Brotzeit abzuhalten und einige Flaschen Wein zu vernichten. So ließ es sich am Nachmittag nochmal geschmeidiger Arbeiten und auch der Steilhang kam einem gar nicht mehr so steil vor. Nach einigen weiteren Stunden war die Lese in unserer Parzelle dann beendet und was sollen wir sagen!? Der Moment, mit dem CR-Team oberhalb unserer Parzelle im Weinberg zu stehen und auf die getane Arbeit und den Main zu schauen, machte uns unglaublich glücklich und auch ein bisschen stolz. Stolz, weil wir wussten, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt alles gegeben hatten und die Weichen für einen erstklassigen Riesling aus dem Volkacher Ratsherr gestellt waren. Doch natürlich ist hier noch lange kein fertiger Wein in Sicht.
Also ging’s weiter. Trauben mit dem Traktor ab ins Weingut und einmaischen. Denn wir entschieden uns aufgrund der Aromatik der Beeren, die wir natürlich bei jeder Gelegenheit schon während der Lese probierten, den Saft nicht sofort abzupressen, sondern die noch intakten Trauben mitsamt Stielen und Stängeln anzuquetschen und ihnen etwas Maischestandzeit zu geben – letzten Endes 48 Stunden. Durch diese Maßnahme bleibt der Saft der angequetschten Trauben länger in Kontakt mit den Kernen, Beerenhäuten und dem Stielgerüst, wodurch diesen vor allem Farbstoffe und Gerbstoffe, also Tannine, entzogen werden, die einem Wein Struktur und eine gewisse Tiefe in der Aromatik verleihen und ihn auch auf natürliche Weise länger haltbar machen. Ein Wein mit Struktur und Tiefgang wollen wir. Einen echten Grand Cru! Und nun: Holzfass oder Stahltank!? Das war natürlich noch die entscheidende Frage und wir haben uns für den Stahltank entschieden.
Stahltank – das hört sich erstmal langweilig an. Alle wollen doch immer Wein aus dem Barrique, oder nicht!? Ist der nicht auch viel hochwertiger?
Was sich so toll anhört, ist letzten Endes einfach nur ein Stilmittel, genau wie der Ausbau im Betongebinde, der Tonamphore oder eben im Stahltank. All diese Ausbauvarianten haben ihre Vor- und Nachteile, vor allem aber ihre Besonderen Charakteristika, die sie dem Wein während der Gärung und nachfolgenden Reifung mitgeben. Wir haben uns ganz bewusst für den Stahltank entschieden, da der Wein so reduktiv ausgebaut wird, sprich unter Ausschluss von Sauerstoff. Außerdem ist der Ausbau im Stahl die neutralste Ausbauart, so dass der Wein, den wir alle letztendlich im Glas haben werden, sehr puristisch und aromatisch klar sein wird, ohne die Einflüsse von Holz, Beton oder Ton, die teils sehr spezielle Sekundäraromen, also die dem Ausbau zu verdankenden Aromen, im Wein entstehen lassen können. Das hat, auch beim Riesling, natürlich seine Daseinsberechtigung, allerdings gibt auch bspw. Holz Gerbstoffe ab, wodurch der Wein am Ende so ggf. zu viel Tannin hätte haben können, da er bereits ca. 24 Stunden Maischestandzeit hatte. Außerdem ist Holz nie zu 100 % dicht, wodurch ein indirekter Kontakt zu geringen Mengen Sauerstoff stattfinden und den Wein auch wieder verändern würde. Verändern heißt nicht schlechter oder besser machen, nur eben nicht so, wie wir es haben wollen.
So, jetzt haben wir lange genug über den Ausbau geredet, ohne dass dieser bisher stattgefunden hätte. Also war am übernächsten Tag, nach den 48 Stunden auf den Schalen, abpressen angesagt. Ein trüber, leicht goldig schimmernder, grüner Saft lief aus der Presse und was sollen wir sagen!? Es duftete unglaublich. Geklärt wurde der Saft selbstverständlich auf die natürlichste Weise: durch Sedimentation. Einen Tag stehen lassen, den Trub absinken lassen und dann vorsichtig den Saft von oben abziehen. Eine kleine Menge der Trubstoffe haben wir jedoch mitgenommen, um den Hefen einen guten Nährboden zu bieten.
Nun ab in den Gärtank und verschließen. Ab jetzt heißt es vor allem warten und geduldig sein. Nicht gerade unsere Stärke aber was muss, das muss. Guter Wein braucht Zeit. Deswegen kann Industrie auch keinen guten Wein.
Wir sind stolz, dieses wunderschöne Handwerk vom ersten Arbeitsschritt an unter der Anleitung von Christian Müller, vom Weingut Max Müller I, durchgeführt zu haben und sind natürlich noch nicht am Ende, aber ein erster Meilenstein ist erreicht.
Doch wie geht es denn jetzt weiter!? Im Keller geht es ab jetzt etwas wie im Labor zu. Nicht, dass wir jetzt im Labor gezüchtete Reinzuchthefen benutzen würden, um unserem Wein ein möglichst gefälliges Geschmacksprofil zu geben. Nein, auf sowas stehen wir gar nicht. Bei uns wird selbstverständlich spontan vergoren. Also nur mit weinbergs- und weingutseigenen Hefen, die sich ohnehin überall in der Luft befinden, sich stetig vermehren und somit in ihrem Habitat einzigartig sind und dem Wein ein einzigartiges Geschmacksprofil geben. Denn wir wollen, dass man die Herkunft unseres Weines schmeckt.
Aber warum dann jetzt „wie im Labor“? Na ganz einfach: Jeden Tag Gärkontrolle, Werte eintragen und so anhand der entstehenden Gärkurve reagieren können und den Wein wärmen oder herabkühlen, um so die Gärung ideal steuern zu können.
Gärung heißt aufs Wesentliche runtergebrochen erstmal, dass der enthaltene Zucker von den Hefen zu Alkohol und Kohlendioxid verstoffwechselt wird. Also der Schlüsselprozess, um aus Saft am Ende Wein entstehen zu lassen. Hefen arbeiten bei Temperaturen zwischen 20°C und 25°C am effektivsten, weswegen die Temperatur andauernd kontrolliert werden muss. Übrigens haben wir eben mit Christian telefoniert um nach dem Status Quo der Gärung zu fragen. Diese läuft gerade bei idealen 22°C bis 23°C ab, absolut perfekt also.
Jetzt kommt noch ein weiteres Fremdwort ins Spiel: das Mostgewicht. Dieses beschreibt die Dichte des Traubenmosts, also am Ende nichts anderes als die Masse des Mostes im Verhältnis zu seinem Volumen. Doch was genau sind Mostgewicht und Traubenmost und wer oder was zum Henker ist Grad Oechsle!?
Das Mostgewicht ist ein Maß für den Anteil aller gelösten Stoffe im Traubenmost, also quasi der Extrakt. Größtenteils besteht er aus Zucker, Säuren und Glycerin, aber auch aus Phenolen, Pektinen, Proteinen und Mineralien. Traubenmost an sich ist einfach nur der unvergorene Traubensaft. Die dazugehörige Maßeinheit ist Grad Oechsle. Anhand des gemessenen Wertes lässt sich schon im Vorfeld in etwa der Alkoholgehalt nach der Gärung, also des fertigen Weines bestimmen. Hier mal eine kleine Übersicht:
50 °Oechsle – 5,9 %vol
70 °Oechsle – 9,1 %vol
90 °Oechsle – 12,2 %vol
100 °Oechsle – 13,8 %vol
110 °Oechsle – 15,3 %vol
Keine Sorge, müsst ihr euch nicht merken. Aber das vielleicht:
In der Industrie liegt das Mostgewicht eines durchschnittlichen Weinjahrgangs zwischen 70 und 80 °Ochsle, was übersetzt bedeutet, dass die Trauben einen enorm hohen Wasseranteil und eine geringe Konzentration der eben erwähnten Stoffe aufweisen. Das ist so auch gewünscht. Denn so erntet man vor allem eines: viel. Reife und Traubenqualität spielen hier eine geringe bis gar keine Rolle, denn vergoren wird sowieso mit Reinzuchthefen. Noten von belebend-frischen Fruchtaromen im Wein gefällig? Dann einfach ein Tütchen Oenoform® Bouquet vom Industriehefe-Giganten Erbslöh in den Tank. Jetzt haben die meisten Weine allerdings 12 – 14 %vol Alkohol, was bei diesem Mostgewicht so erstmal nicht möglich wäre. Also aufzuckern oder „chaptalisieren“. Ganz klassisch Saccharose in den Tank, um auf die gewünschten Alkoholwerte zu kommen. Lecker …
Aufsäuern darf man übrigens auch, aber das sparen wir uns jetzt mal, da bei uns sonst schon hier beim Schreiben der Blutdruck gefährlich in die Höhe schießen würde.
Winzerinnen und Winzer hingegen, die ihr Handwerk verstehen und ernst nehmen, gehen in den Wochen vor der Lese jeden Tag in ihre Reben, messen das Mostgewicht mit einem sogenannten Refraktometer (Details ersparen wir euch auch hier) und entscheiden anhand dessen, wann gelesen wird.
Wir haben ungeduldig auf ideale 89 – 91 °Oechsle gewartet und dann gelesen, also wird unser Wein am Ende ohne irgendwelche industriellen Komponenten und chemischen Eingriffe auf ganz natürliche Weise bei 12 – 12,5 %vol landen. Klingt das nicht viel besser?
Alles in allem können wir es kaum erwarten, irgendwann Mitte kommenden Jahres unseren ersten eigenen Wein in den Händen zu halten. Bald machen wir uns auch schon über das Etikettendesign und den Verschluss Gedanken. Aber letzten Endes bestimmt auch hier wieder die Zeit, wann der Wein fertig ist.