Der Heilige Blutberg: Die Wiedergeburt eines Weinmythos (von Max Kaindl)

Der Heilige Blutberg: Die Wiedergeburt eines Weinmythos (von Max Kaindl)

Es gibt Orte, die von Geschichte und Mythos durchdrungen sind, und es gibt Menschen, die diese Geschichten lebendig halten. Das Weingut Heiligenblut in Rheinhessen ist so ein Ort, und Martin und Christian Hannemann sind die Menschen, die ihn mit Leben erfüllen. Die beiden Brüder haben es sich zur Aufgabe gemacht, diesem Juwel der Weinwelt neues Leben einzuhauchen und dabei Weine zu schaffen, die Naturverbundenheit, Individualität und Lebensfreude verkörpern. 
Seit Jahren verfolge ich mit großer Freude ihren Weg und ihre Leidenschaft, das Weingut in eine neue Blütezeit zu führen. Dieses Jahr feiert die Familie Hannemann das 100-jährige Jubiläum ihres Weinguts. Wie geht die aktuelle Generation mit diesem Erbe um und welche Wege schlagen sie in Zukunft ein? Diesen und vielen mehr Fragen wollen wir auf die Spur kommen.

Eine bewegende Geschichte

Das Weingut Heiligenblut hat eine beeindruckende Geschichte. Der Mythos beginnt im Jahr 454 n. Chr., als christliche Mönche durch den Hunnenkönig Attila hingerichtet wurden. Zu ihrem Gedenken ließ der Heilige Bonifatius im Jahr 746 eine Kapelle errichten und die ersten Reben pflanzen. 
Der moderne Grundstein für das heutige Weingut wurde dann 1826 gelegt, als der Tribunalrichter Joseph Emele die Villa Heiligenblut erbaute und die Terrassen des Heiligen Blutbergs anlegte. Emele erkannte das Potenzial dieses besonderen Ortes und pflanzte neben Riesling auch Spätburgunder und Traminer. Seit 1924 ist das Weingut im Besitz der Familie Hannemann, die nun mit Martin und Christian in der vierten Generation die Tradition fortführt.

 

Die Brüder Hannemann: Frischer Wind am Blutberg

Ich erinnere mich noch gut an die ersten Begegnungen mit Martin und Christian. Schon damals war ihre Leidenschaft für den Weinbau deutlich zu spüren. Die Brüder wuchsen zwischen den Reben des elterlichen Betriebs auf und verbrachten ihre Kindheit im Weinberg. Ihre wahre Leidenschaft für Wein entfachte jedoch erst durch ihre Praktika und Ausbildung bei verschiedenen Weingütern im In- und Ausland. Seit dem Jahrgang 2018 bauen die Brüder ihre eigenen Weine unter der Linie „Heiligenblut“ aus.

Der Heilige Blutberg: Ein einzigartiger Weinberg

Das Herzstück des Weinguts ist der Heilige Blutberg, eine Monopollage im Alleinbesitz der Familie Hannemann. Nicht einmal drei Hektar groß, ist dieser Weinberg durchzogen von vulkanischem Melaphyr, einem dunklen Vulkangestein, das den Weinen eine besondere Würze und karge Struktur verleiht. Die bis zu 70 Jahre alten Reben (hauptsächlich Riesling und Silvaner) und die konsequente Handarbeit der Brüder ermöglichen es, Weine mit einem einzigartigen Charakter zu erzeugen.

 

 

Nachhaltigkeit und Authentizität: Die Philosophie der Hannemanns

Martin und Christof stehen für nachhaltig produzierte, ehrliche und authentische Weine. Sie sehen sich als das verbindende Glied zwischen low-intervention und Tradition, zwischen Weineinsteigern und Liebhabern, zwischen Natur und Kultur. Ihr Ziel ist es, Weine zu schaffen, die Genuss und Lebensfreude bereiten. Diese Philosophie spiegelt sich in jedem ihrer Weine wider - von Guts- bis Lagenweinen. Die vergangenen beiden Jahrgänge 2021 und 22 zeigen die deutliche Entwicklung und wachsende Stringenz der Weine. Sie werden zunehmend feiner, weniger wild und balancierter. Mir scheint es, als sei der richtige Weg gefunden. Nun gilt es diesen zu festigen.
So zeigt sich der Riesling Rotliegend aus 2022 in der Nase schwarzfruchtig mit Wiesenkräutern, Minze und später reifer Steinfrucht. Am Gaumen zestig, leicht bitter, saftig und harmonisch mit reifer Säure. Der Abgang ist limettig und erfrischend. Ein Wein, der Spaß macht. Eine Liga darüber beim Weinheimer Riesling Melaphyr (Ortswein) 2022 habe ich aktuell meinen persönlichen Favorit gefunden. In der Nase hell und fein mit etwas Hefe, leichter Reduktion, hellem Fruchtfleisch, weißen Blüten und Zitrusschale. Am Gaumen anfangs mit etwas Kohlensäure, bitzelnd und zupackender Säure mit einer Phenolik, die an Beerenschale erinnert. Später zeigt sich dann frische, kühle Steinfrucht und Limettenzeste. Der Abgang ist leicht salzig, zitrisch und saftig. Ein Terrassenwein mit Anspruch. Anders als bei den eben beschriebenen Weinen braucht der Riesling Heiliger Blutberg aus dem moderat kühlen Jahrgang 2021 noch etwas mehr Zeit auf der Flasche, um sein volles Potenzial entfalten zu können. Erst am dritten Tag meiner Verkostung deutete er so langsam sein Potenzial an. In der Nase florale und leicht kräuterige Noten mit gelbfruchtigen Aromen, nussig, Waldboden und Pilze. Am Gaumen zeigt sich zunächst eine herbe, zurückhaltende Frucht, später dann pflanzliche, leicht rauchige und nussige Anklänge, eine feine Säure und etwas mürber Gerbstoff. Der Abgang ist wiederum nussig und kühl. Im Moment insgesamt noch etwas verhalten und unruhig, könnte er sein volles Potenzial in 1-2 Jahren zeigen.